Unconscious Bias: 7 Beispiele für unbewusste Voreingenommenheit am Arbeitsplatz – und wann Sie einschreiten sollten“ 

von | Feb 26, 2024 | Allgemein | 0 Kommentare

I. Was ist Unconscious Bias? 

Der Begriff „Bias“ leitet sich aus dem Englischen ab und bezeichnet eine Tendenz, Neigung oder Voreingenommenheit – ein inneres Vorurteil, das uns unbewusst (unconscious) bleibt. Diese unbewussten Verzerrungen, wie automatische Stereotypen, sind tief in unserem Denken verankert und beeinflussen, wie wir Personen und Situationen wahrnehmen und beurteilen, meist ohne dass wir es merken. Es passiert im Hintergrund unseres Denkens, während wir mit der Welt interagieren.

II. So entsteht Unconscious Bias am Arbeitsplatz

Unconscious Bias schleicht sich leise in den Arbeitsalltag ein, oft ohne dass wir es bemerken. Unser Gehirn sehnt sich nach Ordnung und Struktur – es will die Komplexität der Welt vereinfachen und ist dabei äußerst effizient. Um Ressourcen zu schonen, nutzt es gewisse Muster. Es filtert wesentliche Merkmale aus seiner Wahrnehmung und vergleicht es mit bereits Gespeichertem und Erlerntem. Der Rest wird nicht bearbeitet. 

Daniel Kahnemann, ein Nobelpreisträger, teilt unser Gehirn in zwei Systeme auf: 

  • System 1 arbeitet unbewusst, intuitiv und schnell, wie ein Autopilot, der uns durchs Leben navigiert, ohne dass wir aktiv das Steuer in die Hand nehmen. Es greift auf unsere früheren Erfahrungen, gesellschaftlichen Normen und kulturellen Botschaften zurück, um schnell Urteile zu fällen. Über 90% unserer Gedanken und Wahrnehmungen erfolgen hier automatisch, wie zum Beispiel das sofortige Erkennen von Emotionen in der Stimme oder die instinktive Reaktion der Verteidigungshaltung, ohne lange darüber nachzudenken, wenn jemand in einem Meeting plötzlich eine kritische Frage stellt.
  • System 2 hingegen umfasst unser bewusstes, langsames und logisches Denken, das wir bei komplexen Aufgaben wie Kopfrechnen oder gezieltem Zuhören einsetzen. Da bewusstes Denken mehr Kraft kostet, neigen wir dazu, auf unser intuitives System 1 zurückzugreifen.

Während uns der Autopilot hilft, durch den Tag zu navigieren, kann er auch dazu führen, dass wir Menschen ungerecht behandeln, ohne es zu beabsichtigen.  Es beginnt, wenn wir aufgrund unserer eigenen Erfahrungen und kulturellen Hintergründe unbewusst Annahmen über andere treffen. 

Wir ordnen sie in Kategorien ein, basierend auf 

  • ihrem Aussehen, 
  • ihrer Sprache oder 
  • woher sie kommen, 

und all das geschieht unterhalb unserer bewussten Wahrnehmung. 

Diese Kategorien entstehen nicht über Nacht. Sie bauen sich langsam auf und entwickeln sich zu Stereotypen, geformt durch die Medien, unsere Erziehung und die Geschichten, die wir von anderen hören. Am Arbeitsplatz vermischen sie sich mit der Unternehmenskultur und den dort herrschenden Normen und Werten. Unconscious Bias wirkt wie ein unsichtbarer Filter, durch den wir die Welt sehen. Wir tragen alle dazu bei, diese Biases zu verstärken, indem wir handeln, wie wir es gewohnt sind, und oft ohne zu hinterfragen, warum.

„Es ist einfacher, ein Atom zu zertrümmern als ein Vorurteil!“
Albert Einstein

III. 7 konkrete Beispiele für Unconscious Biases aus dem Business-Alltag 

1. Ähnlichkeitsbias (Similarity Bias)

Der Ähnlichkeits-Bias, auch bekannt als ‚Like-Me‘ Bias, tritt auf, wenn wir unbewusst Menschen bevorzugen, die uns ähnlich sind – sei es in Bezug auf Hintergrund, Erfahrungen, Interessen oder Denkweisen. 

Ein klassisches Beispiel findet sich im Arbeitsalltag: Sie stehen vor der Entscheidung, wer ein wichtiges Projekt leiten soll. Neigen Sie unbewusst dazu, jemanden auszuwählen, der die gleichen Ansichten oder einen ähnlichen Arbeits- bzw. Führungsstil hat wie Sie selbst? Die Auswahl basiert dann weniger auf objektiven Kriterien als vielmehr auf persönlicher Sympathie und wahrgenommener Ähnlichkeit. In Unternehmen wird oft kritisiert, dass Projektleitungen „per Handauflegen“ vergeben werden. Dadurch entgeht die Möglichkeit, wirklich die besten Kandidat*innen auszuwählen.

Auswirkungen auf das Team und Entscheidungsprozesse:

Mit dem Ähnlichkeitsbias bewegen wir uns auf dünnem Eis innerhalb der Organisation:: 

  • Beibehaltung der bestehenden Teamstrukturen: Wenn immer wieder Personen ins Team geholt werden, die den bereits vorhandenen ähnlich sind, wird auf den ersten Blick die Harmonie gefestigt. Dabei riskieren Sie, dass das Team auf der Stelle tritt. Diese Praxis engt ein und verhindert, dass frische, innovative Ideen und Ansätze Einzug halten. Sie fragen nicht “Wer sitzt mit am Tisch?“ und “Wer fehlt, um unsere vielfältige Gesellschaft und Kund*innen zu repräsentieren?”  Damit  laufen Sie Gefahr, in einer Bestätigungsschleife gefangen zu sein, wo neue Perspektiven keinen Raum finden. Das schränkt Ihre Fähigkeit, kreativ zu sein und auf Marktveränderungen zu reagieren, erheblich ein.
  • Förderung von Gruppendenken: Homogene Teams neigen dazu, in Gruppendenken zu verfallen, was es erschwert, Probleme kritisch zu hinterfragen oder neue Lösungen zu finden. Die Silo-Mentalität greift um sich und es herrscht ein internes Klima von “wir gegen die”. Das hat Auswirkungen auf die Schnittstellenarbeit zwischen einzelnen Abteilungen, was eine zügige und  konstruktive Auseinandersetzung mit organisatorischen Herausforderungen lähmt. Die fehlende Vielfalt in Meinungen und Erfahrungen erschwert den Blick für die Notwendigkeit von ganzheitlicher Veränderung und Innovation. 
  • Und da ist noch etwas: Es wird eine Atmosphäre der Zustimmung kultiviert, statt sich gegenseitig herauszufordern. Kritische Stimmen? Abweichende Meinungen? Die finden kaum noch Raum. Die Chance auf echte, konstruktive Kritik und offene Diskussionen wird verpasst, die das Unternehmen wirklich voranbringen könnte. Kurz gesagt, das Potenzial für Wachstum und Anpassung an neue Herausforderungen wird verschenkt.

2. Bestätigungsbias (Confirmation Bias)

Durch den Bestätigungsbias tendieren wir dazu, nur die Informationen zu suchen, zu interpretieren und zu verwenden, die unsere bereits bestehenden Überzeugungen, Annahmen oder Hypothesen bestätigen. 

Wenn sich Personalverantwortliche schon nach dem ersten Eindruck oder beim Durchsehen des Lebenslaufs eine Meinung über Bewerber*innen bilden, dann hat der Bestätigungsbias seine Finger im Spiel. Im Interview suchen sie dann unbewusst nach Belegen, die ihre erste Einschätzung untermauert, anstatt mit offenen Augen und Ohren jeder Person die gleiche Chance zu geben. 

Konsequenzen für den Rekrutierungs – und Teamentwicklungsprozess:

Der Bestätigungs-Bias hat weitreichende Folgen für die Art und Weise, wie Sie neue Teammitglieder auswählen und wie sich das Team weiterentwickelt:

  • Verzerrte Beurteilung von Bewerber*innen: Sie übersehen diejenigen, die perfekt zur Stelle passen, nur weil sie nicht in Ihr unbewusstes Bild passen. Innovative Denker*innen oder Personen mit ungewöhnlichen Lebensläufen kommen so zu kurz, weil sie nicht Ihren Standardvorstellungen entsprechen. Ihr unbewusstes Schema funktioniert wie ein Torwächter für weitere Informationen. Langfristig beschränkt Sie das auf einen einheitlichen Talentpool, wodurch Sie die Vorteile von Vielfalt für Ihr Unternehmen verpassen.
  • Eingeschränkte Talententwicklung: Indem Sie sich auf Bewerber*innen konzentrieren, die Ihren Vorstellungen entsprechen, übersehen Sie das volle Potenzial anderer Mitarbeiter*innen. Diese sind dann in einer Art “Schublade” abgelegt, wo nur die Informationen dazukommen, die sie sowieso bestätigt haben wollen – andere Daten und Informationen lassen Sie schon gar nicht mehr zu. In dieser Schublade verbleiben die Mitarbeitenden dann auch und werden nicht zu weiteren Entwicklungsmaßnahmen zugelassen. Dies verhindert, dass Ihr Unternehmen das gesamte Spektrum an Talenten und Fähigkeiten nutzt, das für Wachstum und Anpassung an Veränderungen nötig ist.

3. Name Bias 

Der Name Bias bezeichnet die unbewusste Bevorzugung von Personen aufgrund ihres Namens. Wenn wir Bewerbungen durchgehen, passiert es uns manchmal, dass wir, ohne es zu merken, Menschen den Vorzug geben, deren Namen uns vertraut klingen oder die typisch für unsere eigene Kultur oder Region erscheinen. Namen, die uns fremd vorkommen oder die wir nicht auf Anhieb aussprechen können, lassen wir vielleicht unbeachtet, und das nur wegen des Klangs oder der Unvertrautheit – „Wie spricht man das denn aus?“. 

So schaffen es talentierte Bewerber*innen mit ungewöhnlichen oder schwierigen Namen oft nicht weiter im Auswahlprozess, und das ganz unabhängig davon, was sie eigentlich können. Wir sortieren sie aus, noch bevor wir wirklich wissen, ob sie mit ihren Qualifikationen, Erfahrungen und ihrem Wirken zu unserer Organisation passen würden.

In der Studie “Discrimination against Female Migrants Wearing Headscarves” https://docs.iza.org/dp10217.pdf konnte dieser Bias exemplarisch nachgewiesen werden: 

In einem fiktiven Bewerbungsexperiment bekam Sandra Bauer eine Einladung zum Vorstellungsgespräch in 18,8% der Versuche. Verwendete man jedoch den Namen Meryem Öztürk, sank die Einladungsrate bei identischem Lebenslauf und Foto auf 13,5%. Trug die Bewerberin auf dem Foto zudem ein Kopftuch, fiel die Rate weiter auf 4,2%. Das heißt, Meryem Öztürk muss sich 4,5 Mal öfter bewerben als Sandra Bauer, um dieselbe Anzahl an Einladungen zu erhalten. Diese zusätzliche Anstrengung hat gravierende Auswirkungen auf die Betroffenen, die diese Form der Ausgrenzung erfahren.

Potenzieller Einfluss auf Diversität und Inklusion:

Bewerber*innen aufgrund ihres Namens zu übergehen, schadet nicht nur der Vielfalt des Unternehmens. Es verstößt auch gegen die Prinzipien der Fairness und Gleichbehandlung – so jedenfalls sieht es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)


Und wer will schon talentierten Menschen den Zutritt zum Unternehmen verwehren, nur weil ihr Name anders klingt? 

Die Folgen für die Organisation sind nicht profan:

  • Voreingenommene Teamdynamik: Ein Team, das hauptsächlich aus Mitgliedern mit „typischen“ Namen besteht, fördert unbeabsichtigt eine Kultur, in der sich Personen mit „untypischen“ Namen ausgeschlossen fühlen.
  • Gefahr der Selbstzensur: Personen, die erwarten, wegen ihres Namens diskriminiert zu werden, könnten dazu neigen, sich selbst zurückzuhalten oder sogar ihre Identität zu verbergen, um sich anzupassen. Dieses “masking” kostet enorm viel Energie bei den betroffenen Menschen! Es geht viel Kreativität und Innovation verloren, wenn Menschen nicht ihr wahres Selbst am Arbeitsplatz zeigen können.
  • Verstärkung sozialer Ungleichheiten in der Organisation: Der Name Bias verstärkt bestehende soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten. Personen aus Minderheitengruppen oder mit weniger „marktgängigen“ Namen haben es ohnehin schon schwerer. Wollen Sie versuchen, diese Ungleichheiten abzubauen, anstatt sie weiter zu zementieren?

4. Geschlechtsrollen-Bias (Gender Bias)

Zuweisen von Jobs oder Aufgaben basierend auf Geschlecht? Das ist ein klassisches Zeichen für Geschlechtsrollen-Bias. Diese Voreingenommenheit gründet auf unbewussten Annahmen über die Fähigkeiten, die Männer und Frauen vermeintlich mitbringen sollen. Im Arbeitsalltag sieht man das oft in stereotypen Zuteilungen von Rollen und Verantwortlichkeiten.

Hier sind drei konkrete Beispiele, wie der Geschlechtsrollen-Bias in Erscheinung treten kann:

  1. Führungspositionen und technische Berufe gelten oft als Domäne der Männer, weil angenommen wird, sie seien dafür prädestiniert. Diese Sichtweise sorgt dafür, dass Frauen, selbst wenn sie gleichwertig oder besser qualifiziert sind, für solche Rollen übergangen werden.
  2. Frauen werden vermeintlich weibliche Eigenschaften wie Kreativität, Intuition, Empathie und Fürsorglichkeit zugeschrieben. Deshalb finden sie sich häufiger in kreativen Berufen, Personal- und Marketingpositionen, Pflege- und Erziehungsberufen wieder. Solche Stereotype verhindern, dass talentierte Individuen unabhängig von ihrem Geschlecht in Rollen gelangen, für die sie passioniert und qualifiziert sind.
  3. Auch in Meetings zeigt sich der Geschlechtsrollen-Bias deutlich. Männer werden häufiger ermutigt, das Wort zu ergreifen oder ihre Meinungen zu äußern, während die Beiträge von Frauen übersehen oder weniger ernst genommen werden können. Dies verstärkt die stereotype Vorstellung, dass Männer entscheidungsfreudiger oder kompetenter in fachlichen Diskussionen sind. Eine Steigerungsform davon ist das „Hepeating“, was sich aus „he“ (er) und „repeating“ (wiederholen) zusammensetzt. Dieses Phänomen beschreibt, wenn Männer das, was Frauen bereits gesagt haben, wiederholen und dafür Anerkennung erhalten.  

Auswirkungen auf Karrierechancen und strukturelle Machdynamiken:

Der Geschlechtsrollen-Bias hat signifikante Auswirkungen auf die Karrierechancen von Individuen und die Dynamik innerhalb von Teams. Frauen und Männer haben aufgrund dieser Voreingenommenheit unterschiedliche Chancen auf Beförderungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Dies beeinträchtigt die Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden sehr stark. 

Viel subtiler noch führt es zu Ungleichheiten und strukturellen Schieflagen: die Machtverteilung bleibt in männlicher Hand. Durch den sogenannten „Thomas-Kreislauf” sind mächtige und einflussreiche Positionen klassisch männlich besetzt. Vor allem Positionen in den obersten Hierarchieebenen sind davon betroffen.

Der Thomas-Kreislauf als Kombination zwischen Gender- und Ählichkeitsbias sorgt so für:

  • Selbstverstärkende Homogenität in Führungspositionen: Der Kreislauf beginnt, wenn bestehende Führungskräfte unbewusst oder bewusst Personen für Führungspositionen oder Schlüsselprojekte auswählen, die ihren eigenen Hintergründen, Erfahrungen und oft auch ihrem Geschlecht entsprechen.
  • Begrenzte Diversität und Perspektiven: Diese Praxis führt dazu, dass Frauen und andere Minderheiten weniger repräsentiert und gefördert werden, was die Vielfalt an Perspektiven und Erfahrungen in Entscheidungsprozessen und Innovationsfähigkeiten einschränkt.
  • Verstärkung stereotyper Geschlechterrollen: Der Thomas-Kreislauf trägt auch dazu bei, traditionelle Geschlechterrollen und -stereotype zu verstärken, indem er signalisiert, dass bestimmte Rollen oder Karrierepfade als weniger zugänglich oder geeignet für Frauen angesehen werden.

5. Alters-Bias (Age Bias)

Alters-Bias, oder Altersvoreingenommenheit, ist eine Form der Diskriminierung, die Menschen aufgrund ihres Alters erfahren. Diese Voreingenommenheit kann sowohl jüngere als auch ältere Mitarbeitende betreffen und zeigt sich in verschiedenen Aspekten des Arbeitslebens. Unbewusste Vorstellungen darüber, was Menschen je nach Alter können oder wollen, beeinflussen überall – von der Einstellung über die Weiterbildung bis zur Karriereentwicklung – ihre Chancen und Möglichkeiten.

Gerade eben habe ich mit zwei Freundinnen darüber gesprochen, was sie im Alter über 50 Jahren zum Thema Alters-Bias sowohl innerhalb eines Konzerns als auch aus einer Arbeitslosigkeit heraus in Bewerbungsverfahren erleben: sie werden nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen! 

Die eine hörte am Telefon, wie bei der Nennung Ihres Alters schon die Luft eingesaugt wurde von ihrem Gesprächsteilnehmer und es ein Rumgedruckse wurde, bis es dann zur Aussage kam: “Also bei unseren Einstellungen sollte schon eine vier vorne stehen”. WHAAT?

Die andere hat bei ihren internen Bewerbungen im Konzern immer wieder das Gefühl, dass es um das Alter geht – v.a. wenn sie dann sieht, wer auf die ausgeschriebenen Positionen gekommen ist: Jüngere. 

Das wird jedoch nie ausgesprochen, es gibt keine klaren Beweise und es wird tabuisiert, weil sich niemand angreifbar machen will. Sie erhält nicht einmal fundiertes, transparentes Feedback, obwohl sie das immer wieder einfordert. Ihre Aussage, dass die “internen Bewerbungsverfahren immer undurchsichtiger werden” spricht für sich. 

Einfluss auf die Teamzusammenstellung und Talentförderung:

Der Alters-Bias beeinflusst die Zusammensetzung von Teams und die Talentförderung innerhalb eines Unternehmens erheblich: 

  • Stereotype bei der Teamzusammensetzung: Bei der Bildung von Projektteams passiert es schnell, dass jüngere Mitarbeiter für kreative Aufgaben vorgesehen werden, während Ältere die vermeintlich weniger dynamischen Tätigkeiten übernehmen sollen. Dieses Vorgehen schätzt die Kompetenzen aller Altersgruppen nicht richtig ein und lässt das volle Potenzial des Teams ungenutzt. Es könnte passieren, dass man den Jüngeren nicht genug Verantwortung zutraut oder den Älteren keine neuen Herausforderungen bietet.
  • Übersehen bei Weiterbildungsmöglichkeiten: Oft nehmen wir fälschlicherweise an, dass ältere Mitarbeiter weniger an neuen Fachgebieten interessiert sind oder sich schwerer mit neuen Technologien anfreunden. Wenn ihnen seltener Weiterbildungsangebote gemacht werden, werden ihre Möglichkeiten, beruflich am Ball zu bleiben und sich weiterzuentwickeln, begrenzt.
  • Vorannahmen über Karriereziele: Es ist ein leichter Fehltritt, jüngeren Mitarbeitern automatisch einen starken Ehrgeiz und den Wunsch nach schnellem Aufstieg zuzuschreiben, während man annimmt, dass ältere Kollegen kaum Veränderung oder Aufstieg in ihrer Karriere anstreben. Solche Vorurteile beeinflussen unsere Entscheidungen bei Beförderungen und der Zuteilung von Projekten.

Durch den Alters-Bias entsteht ein Arbeitsumfeld, das nicht die Vielfalt an Erfahrungen, Perspektiven und Fähigkeiten würdigt, die Mitarbeitende unterschiedlichen Alters einbringen können. Es wird nur das Merkmal des Alters und nicht die Fähigkeit des Menschen bewertet. Es ist wichtig, diese Voreingenommenheiten zu erkennen und aktiv dagegen anzugehen, um ein inklusives, faires und dynamisches Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem jeder, unabhängig vom Alter, wachsen und erfolgreich sein kann.

6. Maternity Bias 

Maternity Bias bezeichnet die Vorurteile und Diskriminierungen, denen Frauen im Berufsleben begegnen, insbesondere wenn sie schwanger sind oder Kinder haben. Dabei halten sich diese drei Mythen um das Thema Mutterschaft, die dazu beitragen, dass dieser Bias so lange schon wirksam ist:

  1. Mythos der mangelnden beruflichen Ambition:
    Es besteht der weitverbreitete Glaube, dass Frauen, sobald sie Mütter werden, weniger ambitioniert oder engagiert in ihrer beruflichen Laufbahn sind. Dieser Stereotyp ignoriert die Vielfalt individueller Ambitionen und die Fähigkeit vieler Mütter, Beruf und Familie erfolgreich zu vereinbaren.
  2. Mythos der reduzierten Arbeitsleistung:
    Ein weiterer Mythos ist, dass Mutterschaft automatisch zu einer geringeren Arbeitsleistung führt. Diese Annahme basiert auf der Vorstellung, dass Mütter durch ihre familiären Verpflichtungen abgelenkt sind, was jedoch die Realität vieler berufstätiger Mütter, die effizient und produktiv arbeiten, nicht widerspiegelt.
  3. Mythos der fehlenden Flexibilität und Verfügbarkeit:
    Oft wird angenommen, dass Mütter nicht so flexibel oder verfügbar für berufliche Anforderungen sind wie kinderlose Mitarbeiter*innen oder Väter. Dieser Mythos vernachlässigt die Fähigkeit vieler Mütter, flexible Lösungen für Arbeitsanforderungen zu finden und effektiv Zeitmanagement zu betreiben.

Konsequenzen für die Gleichstellung von Frauen im Beruf:

Der Maternity Bias und die dazu passenden Mythen halten Frauen oft davon ab, in ihrer Karriere so richtig durchzustarten. 

  • Diskriminierende Erfahrungen während der Schwangerschaft und Elternzeit:
    72% der Mütter aus der Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes geben an, mindestens eine diskriminierende Erfahrung im Zusammenhang mit der Schwangerschaft gemacht zu haben. Geschildert werden dabei Formen sozialer Herabwürdigung, wie z.B. weniger Zutrauen durch Vorgesetzte, Führungskräfte oder Kolleg*innen. Ihnen wurden betriebsinterne Informationen oder Entscheidungen nicht mitgeteilt. Ebenso waren sie mit materiellen Nachteilen wie dem Entzug von Verantwortlichkeiten und Zuteilung von weniger sinnvoller Arbeit konfrontiert.
  • Weniger Einladungen zum Vorstellungsgespräch für Mütter:
    In einer Studie von 2007 wurden fiktive Bewerbungen an Arbeitgeber gesendet. Bewerbungen, die Hinweise auf Kinder enthielten, führten dazu, dass Mütter nur halb so oft zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wurden wie vergleichbar qualifizierte Frauen ohne Kinder.
  • Einkommensungleichheit:
    Dieser Bias trägt zur Gehaltslücke (“gender pay gap”) bei, da Frauen mit Kindern tendenziell weniger verdienen als ihre kinderlosen Kolleginnen oder männliche Kollegen. Ihre finanziellen und beruflichen Zukunftschancen können dadurch erheblich beeinträchtigt werden.
  • Fehlende Unterstützungsstrukturen:
    Die Herausforderung wird durch das Fehlen adäquater Unterstützungsstrukturen verstärkt, wie flexible Arbeitsarrangements oder Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Ohne solche Unterstützung kann der Wechsel von Teilzeit zurück in eine Vollzeitposition für Mütter erschwert werden.

7. Status Quo Bias

Wir alle kennen das: Manchmal fällt es uns einfach schwer, Altbewährtes loszulassen und Neues auszuprobieren. “Das war schon immer so!” oder „Das haben wir immer schon so gemacht!” sind Klassiker in Unternehmen, die immer dann kommen,  wenn Veränderung droht. Da steht der Status Quo Bias gerne mal im Weg. Besonders in Meetings oder bei wichtigen Entscheidungen neigen Menschen dazu, sich an das zu klammern, was sie schon kennen und womit sie sich sicher fühlen – selbst wenn da draußen spannende neue Ideen oder Methoden warten, die sie weiterbringen könnten. 

Diese Scheu vor Veränderung kann richtig ausbremsen. Sie hält nicht nur davon ab, innovativ zu sein, sondern hindert daran, als Team zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. 

“Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen,
durch die sie entstanden sind.” 
Albert Einstein

Auswirkungen auf Innovationsbereitschaft und Veränderungsmanagement:

Dieser Bias bremst Innovation und effektives Veränderungsmanagement erheblich. Die Bevorzugung des Status Quo schwächt Ihre Fähigkeit, Neuerungen einzuführen, und erschwert es, auf Veränderungen angemessen zu reagieren.

Wenn Sie sich davor scheuen, über den Tellerrand zu schauen und sich von altbewährten Methoden zu lösen, entgehen Ihnen viele Möglichkeiten für Verbesserungen und Wachstum. Denken Sie an all die innovativen Lösungen, die unentdeckt bleiben, weil Sie am Bekannten festhalten. Oder an die verpassten Chancen, Arbeitsabläufe zu verbessern, weil Sie sich nicht auf neue Wege einlassen.

Diese Zurückhaltung kann kostspielig werden. In einer Welt, die sich rapide wandelt, ist die Fähigkeit, sich anzupassen und Neues zu umarmen, ausschlaggebend für Erfolg. Auf lange Sicht bedeutet das Festhalten am Status Quo, dass Sie der Konkurrenz hinterherhinken. Während andere Firmen mutig Neuland betreten und sich aktuellen Herausforderungen stellen, erkennen Sie vielleicht zu spät, dass Ihre bewährten Methoden nicht mehr genügen, um am Markt zu bestehen.

IV. Meine 5 goldene Regeln, wann und wie Sie bei Unconscious Bias einschreiten sollten

  1. Bewusstsein für alle Formen von Bias stärken:
    Greifen Sie ein, sobald Sie bemerken, dass Vorurteile – sei es Maternity Bias, Alters-Bias, Geschlechtsrollen-Bias oder andere – Entscheidungen beeinflussen. Organisieren Sie Sensibilisierungskampagnen und setzen Sie Trainings an, die auf die Vielfalt der Bias hinweisen und deren Auswirkungen diskutieren. Beispielsweise könnten Rollenspiele und Fallstudien helfen, die subtilen Formen von Bias im Alltag aufzuzeigen und zu verstehen.
  2. Transparente Entscheidungsprozesse etablieren:
    Handeln Sie, wenn Sie feststellen, dass Entscheidungen nicht auf objektiven Kriterien basieren. Verwenden Sie standardisierte Bewertungssysteme und fördern Sie anonymisierte Bewerbungsverfahren, um faire Chancen für alle zu gewährleisten. Dies hilft, Bias bei der Rekrutierung und Beförderung zu minimieren und stellt sicher, dass die besten Talente unabhängig von persönlichen Vorurteilen ausgewählt werden.
  3. Vielfalt in der Teamzusammenstellung und Entscheidungsfindung fördern:
    Ergreifen Sie Maßnahmen, wenn Sie merken, dass bestimmte Stimmen im Team überhört werden oder die Diversität in Entscheidungsgremien fehlt. Fördern Sie die aktive Einbeziehung aller Mitarbeitenden und nutzen Sie diverse Teams, um eine breite Palette an Perspektiven und Ideen zu gewinnen. Dies stärkt nicht nur die Teamleistung, sondern auch die Kreativität und Innovation.
  4. Regelmäßige Schulungen zu Vielfalt und Unconscious Bias anbieten:
    Wenn Unwissen oder Missverständnisse zu Vielfalt herrschen, ist es Zeit, aktiv zu werden. Investieren Sie in kontinuierliche Bildungsmaßnahmen, die das Bewusstsein für und den Umgang mit Vielfalt fördern. Solche Schulungen sollten praktische Tipps bieten, wie man eigene Vorurteile erkennt und überwindet und wie man eine inklusivere Arbeitsumgebung schafft.
  5. Eine inklusive Unternehmenskultur etablieren:
    Sobald Sie eine Kluft zwischen den ideellen Werten Ihres Unternehmens und der gelebten Praxis feststellen, müssen Sie einschreiten. Arbeiten Sie daran, eine Kultur zu schaffen, die Vielfalt in allen ihren Formen feiert und unterstützt. Dies beinhaltet die Implementierung flexibler Arbeitsmodelle, die Schaffung von Unterstützungsangeboten für diverse Mitarbeitendengruppen und die Förderung einer Atmosphäre, in der jeder sich wertgeschätzt und einbezogen fühlt.

Indem Sie in diesen Bereichen aktiv werden, zeigen Sie nicht nur Führungskompetenz, sondern auch ein klares Bekenntnis zu einem Arbeitsplatz, der Vielfalt schätzt und fördert. Dies ist der Schlüssel, um die besten Talente anzuziehen und zu halten sowie Innovation und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

V.  Was Sie noch tun können, wenn Ihnen in ihrem Unternehmen ein Fall von Unconscious Bias auffällt

👉  Direktes Ansprechen und Diskutieren:
Wenn Ihnen ein spezifischer Fall von Unconscious Bias auffällt, zögern Sie nicht, diesen direkt und konstruktiv anzusprechen. Das kann in einem persönlichen Gespräch mit den beteiligten Personen geschehen. Wichtig ist, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem Offenheit und Verständnis im Vordergrund stehen. Ziel sollte es sein, Bewusstsein zu schaffen und gemeinsam zu lernen, nicht zu beschuldigen.

👉 Reflexionsprozesse anregen:
Fördern Sie die Selbstreflexion bei sich selbst und anderen. Häufig sind sich die Menschen ihrer unbewussten Vorurteile nicht bewusst. Workshops oder Trainingseinheiten, die zur Selbstreflexion anregen, können hier sehr hilfreich sein. Sie sind ein praktischer Schritt, um Räume zum Lernen und vor allem zum Verlernen zu öffnen. Indem wir uns aktiv mit unseren unbewussten Bias auseinandersetzen, schaffen wir die Grundlage für ein tieferes Verständnis unserer selbst und wie wir diese Vorurteile überwinden können.

👉 Inklusive Richtlinien überprüfen und anpassen:
Überprüfen Sie bestehende Richtlinien und Verfahren in Ihrem Unternehmen auf mögliche Bias. Das kann von der Rekrutierung über die Mitarbeiterbewertung bis hin zu Beförderungspraktiken reichen. Anpassungen, die eine größere Objektivität und Fairness gewährleisten, können einen langfristigen positiven Effekt auf die Unternehmenskultur haben.

👉 Diversität in Entscheidungsgremien fördern:
Stellen Sie sicher, dass Entscheidungsgremien divers besetzt sind. Eine vielfältige Zusammensetzung hilft, unterschiedliche Perspektiven einzubringen und den Einfluss von Unconscious Bias zu reduzieren. Dies fördert eine ausgeglichenere und gerechtere Entscheidungsfindung.

👉 Feedback- und Beschwerdemechanismen stärken:
Etablieren Sie klare und zugängliche Feedback- und Beschwerdewege für Fälle von Unconscious Bias. Mitarbeiter sollten wissen, an wen sie sich wenden können, und sicher sein, dass ihr Anliegen ernst genommen wird. Ein offener Dialog und transparente Prozesse stärken das Vertrauen in die Unternehmensführung und fördern eine Kultur der Offenheit und Gleichbehandlung.

👉 Allyship-Netzwerke etablieren und fördern:
Eine wirkungsvolle Strategie, um Unconscious Bias entgegenzuwirken und eine inklusive Arbeitskultur zu fördern, ist die Bildung von Allyship-Netzwerken innerhalb Ihres Unternehmens. Diese Netzwerke bestehen aus Mitarbeitenden, die sich aktiv für die Unterstützung und Förderung von Vielfalt und Inklusion einsetzen. Sie dienen als Verbündete für Kolleg*innen, die möglicherweise Marginalisierung oder Diskriminierung erfahren.

VI. Diese Fehler sollten Sie im Zusammenhang mit Unconscious Bias nicht machen

⚡️Den Einfluss von Unconscious Bias unterschätzen:
Viele machen den Fehler zu glauben, unbewusste Vorurteile seien ein kleines Problem oder betreffen nur bestimmte Bereiche des Arbeitslebens. Doch Unconscious Bias kann tiefgreifende Auswirkungen auf die Unternehmenskultur, die Mitarbeiterzufriedenheit und die Innovationskraft haben. Unterschätzen Sie nicht die Bedeutung von unbewussten Verzerrungen und die Notwendigkeit, aktiv dagegen vorzugehen.

⚡️Einmalige Aktionen als Lösung sehen:
Ein Workshop oder eine Schulung allein wird nicht ausreichen, um Unconscious Bias langfristig zu bekämpfen. Der Fehler liegt darin, solche Maßnahmen als einmalige Lösung zu betrachten, anstatt sie als Teil eines kontinuierlichen, engagierten Prozesses zur Förderung von Diversität und Inklusion zu sehen.

⚡️Fehlende Beteiligung der Führungsebene:
Unbewusste Vorurteile lassen sich nicht allein auf Mitarbeiterebene bekämpfen. Ein verbreiteter Fehler ist, dass die Führungsebene sich nicht ausreichend einbringt und sich positioniert. Die aktive Unterstützung durch das Management ist jedoch entscheidend für den Erfolg jeglicher Maßnahmen gegen Unconscious Bias.

⚡️Nicht messbare Ziele setzen:
Ohne klare, messbare Ziele ist es schwierig, den Erfolg von Initiativen gegen diese kognitiven Verzerrungen zu bewerten. Der Fehler liegt oft darin, vage Absichtserklärungen zu formulieren, anstatt spezifische, erreichbare Ziele zu setzen, die regelmäßig überprüft und angepasst werden können.

⚡️Defensiv reagieren, statt zu lernen:
Wenn Fälle von Unconscious Bias angesprochen werden, reagieren manche Menschen defensiv und sehen es als persönlichen Angriff, anstatt als Chance zum Lernen und Wachsen. Vermeiden Sie diese defensive Haltung und ermutigen Sie stattdessen eine Kultur des offenen Dialogs, der Selbstreflexion und des Lernens.

Ein wertvolles Tool in diesem Prozess ist der Harvard Implicit Association Test (IAT). Der IAT bietet eine Möglichkeit, Ihre eigenen unbewussten Vorurteile zu erkennen und ist ein praktischer Schritt, um Räume zum Lernen und vor allem zum Verlernen zu öffnen. Indem wir uns aktiv mit unseren unbewussten Bias auseinandersetzen, schaffen wir die Grundlage für ein tieferes Verständnis unserer selbst und wie wir diese Vorurteile überwinden können.

Um Ihr Verständnis und Ihre Kenntnisse über Unconscious Bias weiter zu vertiefen, empfehle ich folgende Ressourcen:

„Blindspot: Hidden Biases of Good People“ von Mahzarin R. Banaji und Anthony G. Greenwald. Dieses Buch bietet tiefgreifende Einblicke in die Welt der unbewussten Vorurteile und ihre Auswirkungen auf unser Verhalten.

„Thinking, Fast and Slow“ von Daniel Kahneman. Kahneman, ein Nobelpreisträger, erforscht, wie unsere Gedanken, beeinflusst durch systematische Biases, unsere Entscheidungen prägen.

Und hier geht es zu Trainings und Workshops der EQUIDEM-Academy: www.equidem-academy.de

Erhalten Sie kostenfrei und unkompliziert alle aktuellen News und Angebote der EQUIDEM-Academy. Als Dankeschön erhalten Sie unseren "Diversity-Check - Erkennen Sie die Vielfalt Ihrer Organisation!".

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